Personalisierte Medizin – Heilung 2.0

Der Grundsatz

Die Schlussfolgerung des Europäischen Rats zur Personalisierten Medizin bei Patienten (2015/C 421/03) besagt: „[…], dass es keine allgemein gültige Definition des Begriffs ‚Personalisierte Medizin‘ gibt. Generell gilt jedoch, dass Personalisierte Medizin ein Konzept bezeichnet, das anhand der Charakterisierung der Phäno- und Genotypen von Einzelpersonen (z.B. molekulares Profiling, bildgebende Diagnoseverfahren, Informationen über die Lebensweise) die optimale Behandlungsstrategie für die jeweilige Person zum richtigen Zeitpunkt ermittelt und/oder die Prädisposition für eine Krankheit bestimmt und/oder rechtzeitig und gezielt die Prävention ermöglicht.“ [1]   Personalisierte Medizin als neues Therapiesystem Eigentlich bezeichnet „Personalisierte Medizin“ also eine feste Kombination aus vorangehenden molekularen Tests, die zeigen, wie gut ein Patient auf verschiedene Therapien anspricht (Companion Diagnostics), und einer darauf aufbauenden Behandlung. [2,3,4,5]. Je nach Testergebnis ist für den Patienten dann eine bestimmte Behandlung am erfolgversprechendsten (Abb. 1). Die Personalisierte Medizin ermöglicht demnach die Auswahl von Therapien, die gezielt auf die individuellen genetischen Gegebenheiten der Patienten abgestimmt sind. Falsche oder erfolglose Behandlungsmaßnahmen sowie Nebenwirkungen können vermieden und zielgerichtete erfolgversprechende Therapien eingeleitet werden. Dies bedeutet mehr Sicherheit für die Patienten und erlaubt eine wirksamere Behandlung. [6,7,8]

Personalisierte Onkologie

Die Personalisierte Medizin ist im Bereich der Onkologie am weitesten fortgeschritten (Abb. 2), da der Bedarf an individuell zugeschnittenen Umschwung in der biopharmazeutischen Industrie zur personalisierten Medizin Therapien hier besonders hoch ist. Krebs ist eine sehr schwere Erkrankung, die eine außergewöhnliche Belastung für den körperlichen und seelischen Zustand des Patienten darstellt und in vielen Fällen erst spät entdeckt wird. [3] Zudem liegt die Ursache für die Krebsentstehung in den Genen, weshalb die Onkologie prädestiniert für den Einsatz der Personalisierten Medizin ist. [5,9] Die Krankheit tritt in unzähligen Formen auf, denn jeder Tumor hat andere biochemische und genetische Voraussetzungen. Außerdem sind viele Standardtherapien gerade bei seltenen und besonders aggressiven Krebserkrankungen nahezu wirkungslos (Abb. 3). [5,8]   Wirkungslose Medikamente Seit neuestem setzt die Forschung ihre Hoffnung in die Entwicklung entitätsübergreifender Wirkstoffe. Diese wirken nicht mehr auf das Organ, in dem der Tumor auftritt, sondern auf die Genomveränderung, die den Krebs verursacht. Die entitätsübergreifenden Substanzen behandeln jede Art von Krebs, der die spezifische molekulargenetische Veränderung, den sogenannten Biomarker, im Tumor aufweist. [5] So beispielweise Merck‘s neueste Wunderwaffe KEYTRUDA® mit dem Wirkstoff Pembrolizumab, welche bereits für die Behandlung von 11 verschiedenen Krebsarten zugelassen wurde. [3,10] Für mehrere hundert weitere Krebsarten und Kombinationstherapien ist das Medikament aktuell in der Studienphase. [10]

 

Internationale Standards durch Wissenstransfer

Die Personalisierte Medizin ist ein sektorübergreifendes Einsatzgebiet, welches Expertise und Datenmaterial vieler verschiedener Fachbereiche und Branchen benötigt, u.a. der IT, Pharmazie und Ökonomik. [2,6,7] Um ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten nutzen zu können sind neue Verfahren und Standards nötig, die durch internationale Zusammenarbeit und Absprachen geschaffen werden müssen. Deshalb beteiligt sich beispielsweise das deutsche Bundesministerium an dem europaweiten Projekt „Personalized Medicine 2020 and Beyond“, welches 27 Partner aus 14 Ländern vereint. Die Mitglieder dieser Initiative entwickeln gemeinsam Empfehlungen, die die Gesundheitsforschung, die medizinische Versorgung, aber auch die Leistungserbringer unterstützen. [11] Aber auch andere Länder stehen dem Drang zur Verbesserung des individuellen Gesundheitszustands in nichts nach. Weltweit werden Kongresse und Fachmessen zum Thema Präzisionsmedizin abgehalten, auf denen Spezialisten unterschiedlichster Fachbereiche und hochrangige Regierungsvertreter den internationalen Wissensaustausch pflegen. Thematisiert werden hierbei z.B. neueste Studien zu hochmodernen Diagnostikverfahren, Therapieansätzen oder molekularen Biomarkern sowie Kosten-Nutzen-Strategien und Fragen der Ethik. [12] Folgend einige Beispiele an bedeutenden jährlichen Kongressen zur Personalisierten Medizin:

  • International Congress on Precision Medicine Beyond Cancer (PMBC) [13]
  • International Consortium for Personalised Medicine (ICPerMed) [14]
  • Nordic Precision Medicine Forum [15]
  • Personalized and Precision Medicine International Conference (PEMED) [12]

Zukunftsaussichten

Die Präzisionsmedizin wird in Zukunft eine immer größere Rolle in der Gesundheitswirtschaft spielen. Neben den Patienten profitieren zudem Ärzte von der erleichterten Therapieauswahl, sowie Zulassungsbehörden und Kostenträger durch eine präzisere Nutzen-Risiko-Abwägung und effizienteren Ressourceneinsatz. Die Integration entsprechender Methoden der Präzisionsmedizin ins Gesundheitssystem verläuft dennoch nur langsam. [4,17] Denn trotz immenser technologischer Fortschritte und einer inzwischen hohen Anzahl zielgerichteter Therapien müssen immer noch einige Hürden bewältigt werden, bevor die Personalisierte Medizin ein fester Bestandteil der Regelversorgung wird. Zur schnelleren Integration der Personalisierten Medizin ins Versorgungswesen werden u.a. folgende Strategien verfolgt (Abb. 4): [3,4,8,16,17]

  • Erhöhung des Bekanntheitsgrads und tieferes fachliches Verständnis personalisierter Anwendungen in der Öffentlichkeit und bei Arbeitskräften des Gesundheitswesens
  • Bestärkung des Patienten, über die Verarbeitung der eigenen Daten zu entscheiden und vermehrt persönliche Entscheidungen in die Therapieauswahl miteinzubeziehen
  • Anerkennung des Mehrwerts der Personalisierten Medizin für die Gesundheitswirtschaft
  • Verbesserung der Infrastruktur und der Datenverarbeitungsprozesse
  • Erhaltung und Ausbau des allgemeinen Zugangs zu Techniken und Dienstleistungen der Präzisionsmedizin

  Strategien zum Umstieg auf Behandlungsmethoden der personalisierten Medizin   Um die aktuelle Marktposition der Personalisierten Medizin weiter zu stärken, sollten Interessensvertreter und Behörden also besser in bereits etablierte Konzepte der Präzisionsmedizin investieren, anstatt die schrumpfenden finanziellen Ressourcen für die Erforschung neuer Methoden zu verschwenden. Denn eine technologisch bessere Version eines einzelnen Elements ist nicht unbedingt auch eine Lösung für das vorhandene Problem. Eine weiterentwickelte Gesundheitsversorgung verlangt eine enge Zusammenarbeit aller einbezogenen Fachbereiche, den Austausch von interdisziplinärem Wissen und innovative Technologien. Kurz- und langfristige Strategien, ein effizienterer Einsatz von monetären und technologischen Ressourcen sowie die Verbesserung des internationalen Wissensstandards werden im Interesse von Patienten, Ärzten und Leistungserbringern die Integration der Personalisierten Medizin in die Regelversorgung ermöglichen. [16]   Ansprechpartner: Kerstin Hammer Quellen