Die Problematik
Regelmäßig stattfindende Krankenhaus-Untersuchungen verdeutlichen eine zunehmend bedrohliche Situation: die Ausbreitung resistenter Keime, gegen die eine Vielzahl von Antibiotika nicht mehr wirkt. Krankheiten, die ursprünglich leicht zu behandeln waren, sind inzwischen aufgrund der Evolution und weltweiten Verbreitung Antibiotika-resistenter Bakterien wieder tödlich. Und stellen damit Ärzte, Forscher, Politiker sowie die breite Öffentlichkeit vor große Schwierigkeiten in der medizinischen Versorgung. [1] Millionen von Bakterien besiedeln den Körper auf natürliche Weise und tragen zur Aufrechterhaltung unseres Immunsystems bei. Pathogene Keime hingegen können dem Köper schaden und zu schweren Krankheitssymptomen führen, vor allem wenn die Bandbreite der zur Verfügung stehenden Antibiotika gering ist. Denn während des raschen Vermehrungszyklus der Bakterien können Mutationen auftreten, die das Bakterium dazu befähigen, die Wirkung eines bestimmten Medikaments abzuschwächen. Diese Widerstandsfähigkeit wird weitervererbt und führt innerhalb von kurzer Zeit zu einer wahren Flut an resistenten Varianten. Grundsätzlich sind diese Erreger nicht gefährlicher als andere, aber im Fall einer Infektion ist diese dann aufgrund der gebildeten Resistenzen weitaus schwerer behandelbar. Eine unsachgemäße Anwendung von Antibiotika begünstigt die Entstehung multiresistenter Keime. Dies umfasst eine zu geringe Dosierung, zu häufige Einnahme oder zu kurze Anwendungsdauer. [1,2]
Aktuelle Zahlen
In Europa infizierten sich im Jahr 2015 knapp 700.000 Menschen mit multiresistenten Bakterien, 33.000 Infizierte starben an den Folgen (Abb. 1). Italien wies mit 200.000 Neuinfizierten mit Abstand die höchste Rate an Infektionen mit resistenten Erregern auf, gefolgt von Frankreich mit ca. 125.000. In Skandinavien, Estland und den Niederlanden war die Zahl hingegen sehr gering. Deutschland liegt mit 55.000 Neuinfizierten im unteren Mittelfeld. Besonders stark betroffen waren Kinder unter einem Jahr. [2] Weltweit forderten die Infektionen ca. 700.000 Todesopfer. [3]
Die gefürchtetsten Pathogene
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte 2017 eine Liste resistenter Keime mit hoher Dringlichkeitsstufe, um die Erforschung und Entwicklung neuer effektiver Medikamente zu unterstützen. Ausschlaggebende Kriterien der Priorisierung waren z.B. die jeweilige Mortalitätsrate, die gegenwärtige Belastung für das Gesundheitswesen, eine Prognose der zukünftigen Resistenzentwicklung sowie Präventionsmöglichkeiten im Klinik- und öffentlichen Bereich. [4] Angeführt wird diese Liste von Keimen mit Resistenz gegen Antibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme, da diese Mittel bisher noch als Reserveantibiotika zur Verfügung standen, im Falle einer Resistenz gegen andere Antibiotika. Durch den Wegfall dieser Therapiemöglichkeit verringert sich demnach die Chance einer erfolgreichen antibiotischen Behandlung um ein Vielfaches. [1] Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und verschiedene Enterobacteriaceae (z.B. Escherichia coli) zählen zu dieser Kategorie und können bei geschwächtem Immunsystem zu schwerer Lungenentzündung, Wundinfektion oder Blutvergiftung führen. Nachfolgend sind weitere bekannte Keime wie beispielsweise Staphylcoccus aureus (MRSA), Helicobacter pylori und Streptococcus pneumoniae mit etwas niedrigerer Priorisierung gelistet. [4]
Fortschritt durch Forschung
Neuartige Therapien, um Infektionen durch multiresistente Krankheitserreger zu behandeln oder vorzubeugen, werden heutzutage händeringend gesucht. Das EU-weite Projekt COMBACTE-MAGNET, das Anfang 2015 mit einem Budget von 170 Mio. € gestartet wurde, soll hier Abhilfe schaffen. Ziel des Projekts ist es, für besonders anfällige Menschen, beispielsweise immungeschwächte Patienten auf der Intensivstation, durch Förderung wissenschaftlicher Kooperationen neue antibakterielle Behandlungsmethoden zu entwickeln und wirksame Biomarker zu identifizieren. An dem Projekt sind mehr als 30 führende Kliniken in 10 europäischen Ländern sowie Experten der Pharma-Riesen AstraZeneca, AiCuris, GSK, Basilea Pharmaceutica und Sanofi beteiligt. Koordinator des Projekts ist Schweden. [5]
Perspektiven
Multiresistente Bakterien vermindern sowohl die Überlebensrate bei schweren Infektionen als auch die Erfolgsaussichten von Operationen, Transplantationen und Krebsbehandlungen. Die Herausforderung, angemessenen Zugang zu Antibiotika zu gewährleisten, aber gleichzeitig eine falsche Nutzung von Antibiotika zu verhindern, ist einzigartig im globalen Gesundheitswesen und erfordert dringend neue Ansätze im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Finanzierung und der Forschung. [6] Neue kommerzielle Modelle müssen entwickelt werden, um die Industrie zu neuen Investitionen in die Antibiotikaentwicklung zu bewegen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass neue Antibiotika nachhaltig eingesetzt werden. [3] Ansprechpartner: Kerstin Hammer Quellen