Der Weltkrebstag
Viele Menschen fragen sich, warum immer noch kein Allheilmittel gegen Krebs existiert. Doch Krebs ist keine einzelne Krankheit, sondern über 100 verschiedene Krankheiten, wobei sich jede davon wiederum in weitere Untergruppen unterteilen lässt. Die größte Herausforderung in der Krebstherapie stellt somit die Heterogenität des Tumorgewebes dar, die unterschiedliche Reaktionen auf Behandlungen hervorruft. Der Weltkrebstag ist eine globale Initiative der Union for International Cancer Control (UICC), welche im Jahr 2000 etabliert wurde. Jedes Jahr am 04. Februar wird hiermit die internationale Aufmerksamkeit auf den langwierigen Kampf gegen Krebs und die Dringlichkeit, die Krebsforschung, -prävention und -behandlung stärker zu fördern, gelenkt. Der diesjährige Slogan „Ich bin und ich werde.“ soll daran erinnern, dass jeder einzelne eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung dieser schwerwiegenden Krankheit spielen und so Einfluss auf seine Zukunft nehmen kann. [1]
Damals und Heute
Noch vor 50 Jahren war die großräumige Resektion die meistgewählte Therapie bei den meisten Krebserkrankungen. William Stewart Halsted führte im späten 19. Jahrhundert erstmals eine radikale Mastektomie bei einer Brustkrebspatientin durch. Die komplette Entfernung der Brust, der darunterliegenden Muskeln und der umliegenden Lymphknoten schienen damals die einzige Heilungs- und Präventionsmöglichkeit gegen das Weiterwachsen des Tumors zu sein. Bis in die frühen 1970er Jahre gab es keine Fallstudie, die das Gegenteil bewies. Eine erstmals durchgeführt Studie belegte dann jedoch, dass eine vollständige Resektion sich nicht positiv auf die Überlebenschance des Patienten auswirkt. [2] Krebs wandelte sich von der dritthäufigsten Todesursache im Jahr 1990 zur zweithäufigsten im Jahr 2013, hinter den Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Weltweit stieg die Inzidenzrate fast jeder Krebserkrankung zwischen 1990 und 2013 an, wobei z.B. die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs um 9% und die von Prostatakrebs um 217% anstieg. 20-40% davon lassen sich auf die zunehmende Lebenserwartung zurückführen. [3] Weltweit verursachte Krebs im Jahr 2018 ca. 18 Mio Neuerkrankungen und 9,5 Mio Todesfälle (siehe Abb. 1 + 2), wobei sich etwa 65% dieser Todesfälle in Entwicklungsländern ereigneten (siehe Abb. 3). [4,5,6,7,8]
In den kommenden Jahrzehnten werden die Erkrankungs- und Todesrate von Krebserkrankungen auf der ganzen Welt dennoch weiter ansteigen. Primärer Grund hierfür ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung, wie schon im vorherigen Blogbeitrag erläutert wurde. In den letzten 15 Jahren stieg die Lebenserwartung in fast ganz Europa um ca. 5%. 11% der Frauen und 7,5% der Männer waren demnach im Jahr 2016 über 65 Jahre alt. [9] Auch bestimmte Risikofaktoren wie Rauchen oder Bewegungsmangel wirken Krebs-begünstigend. Etwa 40% aller Krebserkrankungen in Europa würden sich schätzungsweise vermeiden lassen, wenn die Menschen sich diesen Risikofaktoren stärker bewusst wären und diese vermehrt in die Früherkennung einbezogen werden würden. [1,5,10]
Die Situation in Entwicklungsländern
Entwicklungsländer mit niedrigem und mittlerem Einkommen werden weiterhin besonders stark von Krebserkrankungen betroffen sein, da diese kaum teure und komplexe Behandlungen bieten können. [3,5] Limitierte Ressourcen und fehlende Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten prägen die Infrastruktur des Gesundheitswesens. Krebs kann deswegen oft erst im späten Stadium diagnostiziert werden. [5,6] Zudem erschweren die oftmals schlechte Ausbildung der Ärzte, fehlende Richtlinien, Verharmlosung, ein genereller Mangel an medizinischen Einrichtungen und Onkologen, Medikamentenmissbrauch sowie die mangelhafte Aufklärung der Patienten die nötige Krebstherapie. Viele Entwicklungsländer investieren außerdem weniger als 1% der nationalen Budgets in den Ausbau des Gesundheitssystems, im Vergleich zu wirtschaftsstarken Ländern mit ca. 7%. [7] Schätzungen zufolge wird die Anzahl der Krebsneuerkrankungen weltweit bis zum Jahr 2030 auf 22 Mio ansteigen. Etwa die Hälfte davon wird den Entwicklungsländern, insbesondere Asien, zugeordnet. [7,8]
Künstliche Intelligenz – Ein Meilenstein
In den letzten Jahrzehnten fand im Bereich der Krebsforschung eine regelrechte Evolution statt. Zahlreiche neue Diagnosemethoden wie beispielweise Genom-Screenings dienen der Früherkennung und der Identifizierung von Krebserkrankungen, bevor überhaupt Symptome auftreten [siehe Abb. 4). Hochmoderne Medizintechnik erlaubt mittlerweile die Sammlung riesiger essentieller Datenmengen. [11,12] Möglich macht dies das rasant wachsende Feld der Künstlichen Intelligenz. Spezielle Computertechnologien verbessern die Effizienz und Qualität klinischer Aktivitäten und verringern die Anzahl medizinischer Fehlentscheidungen. Kognitive Ansätze vereinen technische und industrielle Kenntnisse mit hochmodernen Techniken des Maschinenlernens, um mithilfe entsprechender Vorhersagemodelle die Forschung zu beschleunigen. Die Idee zur Entwicklung von Künstlicher Intelligenz entstand bereits Anfang der 50er Jahre. Alan Turing stellte in seinem Artikel “Computing Machinery and Intelligence” im Jahr 1950 erste Ansätze zur Nutzung von Maschinenlernen, genetischen Algorithmen und verstärktem Lernen vor. 1956 erfolgte die erste reale Umsetzung. [11,13]
Künstliche Intelligenz findet inzwischen Einsatz in vielen naturwissenschaftlichen Gebieten. Die Menge an Daten, die in klinischen Studien und anderen Anwendungsbereichen produziert werden, verdoppelt sich alle 3 Jahre. [13] Vor allem Omik-Daten (z.B. Genomik, Metabolomik, Proteomik) würden ohne den richtigen Kontext und umfangreiche Analysen ihren Nutzen verlieren. Neueste Ansätze der Bioinformatik stützen sich zur optimalen Therapiefindung auf die individuelle genetische Signatur des Patiententumors. Mehr als 50,000 Krebsgenome wurden mittlerweile sequenziert und Millionen von genetischen Variationen dokumentiert, die eventuell Auswirkungen auf das Krebswachstum und die Krebsbehandlung haben. Durch den Abgleich der Patientendaten mit Literatur in weltweiten Datenbanken wird der Arzt bei der Wahl der bestmöglichen individuellen Therapie unterstützt. Dieses System integriert relevante Informationen zu gesundheitlichen Aspekten, Kosten und einer eventuellen Immunantwort auf bestimmte Behandlungen, um die individuelle Gesundheitsversorgung des Patienten bei gleichzeitiger Kostensenkung zu verbessern, falsche Therapien zu vermeiden sowie die Zeit bis zur Diagnosestellung zu verkürzen. [12,13,14,15]
Chancen für die Zukunft
In Europa und anderen wirtschaftsstarken Ländern beginnt aktuell neue Ära der Krebstherapie. Qualitativ hochwertiges und umfangreiches Fachwissen wird benötigt, um den richtigen Umgang mit der existierenden enormen Datenmenge und neuen technischen Möglichkeiten, die sich zukünftig bieten, zu sichern. Die Zukunft der Krebsprävention und -therapie besteht aus vielfältigen Chancen und Herausforderungen. Erfolgsversprechende Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung kombiniert mit personalisierten Therapieoptionen können hierbei nicht nur erheblichen medizinischen Kosten- und Zeitaufwand vermeiden, sondern auch die physische und psychische Verfassung krebskranker Patienten erheblich verbessern. Ansprechpartner: Kerstin Hammer Quellen