Binnen weniger Wochen errichtete die BioVariance GmbH im Februar 2021 im Gebäude des ehemaligen Krankenhauses in Waldsassen ein neues Labor für PCR-Diagnostik. Mit diesem Verfahren werden seit der Inbetriebnahme dieses Labors täglich bis zu 1000 Rachenabstriche und Gurgelproben auf eine SARS-CoV-2 Infektion untersucht. Das Besondere: Die Bearbeitung und Auswertung der Proben erfolgt im Regelfall in weniger als 3 Stunden nach Probenanlieferung! Eine schnelle Diagnostik ist essenziell, um Neuinfizierte unverzüglich unter Quarantäne zu stellen und damit Neuansteckungen zu verhindern. In Zusammenarbeit mit dem BRK hat BioVariance damit einen bedeutenden Beitrag zum rasanten Abfall der Inzidenz im Landkreis Tirschenreuth im Frühjahr 2021 leisten können.
Aber wie kann BioVariance dieses hohe Tempo erreichen? Und wie funktioniert eigentlich die PCR-Diagnostik? Diese und weitere Informationen zum Workflow im BioVariance Labor erhaltet Ihr im Folgenden.
qPCR-Verfahren im BioVariance Labor
Die Abkürzung „qPCR“ steht für „quantitative Polymerasekettenreaktion“ (engl.: quantitative polymerase chain reaction). SARS-CoV-2 zählt zu den sogenannten RNA-Viren, das heißt das Genom besteht aus RNA und nicht aus DNA wie bei Tieren oder Menschen. Anhand des Genoms kann ein Organismus zweifelsfrei identifiziert werden, was sich die PCR zunutze macht. Vor der eigentlichen PCR wird daher aus der Probe, die sowohl RNA in Form von potenziellen Viren als auch DNA in Form von menschlichen Zellen der Rachenschleimhaut enthält, die RNA isoliert und gereinigt. Diese RNA wird anschließend mithilfe des Enzyms Reverse Transkriptase in DNA umgewandelt, da in der PCR nur DNA eingesetzt werden kann.
Danach beginnt die eigentliche PCR: Mithilfe des Enzyms Polymerase werden gezielt charakteristische Abschnitte der enthaltenen DNA vermehrt. Dieser Prozess nennt sich „Amplifikation“. Im Labor der BioVariance trifft dies auf insgesamt 3 Zielsequenzen zu. 2 davon sind Abschnitte von Genen, die in SARS-CoV-2 zu finden sind: das RdRP-Gen und das E-Gen. Das RdRP-Gen kommt spezifisch nur in SARS-CoV-2-Viren vor, das E-Gen hingegen tritt allgemein in der Untergattung der Sarbecoviren auf, wozu auch SARS-CoV-2 gehört. Der Nachweis des RdRP-Gens alleine wäre ausreichend, um die Probe als positiv zu identifizieren. BioVariance setzt jedoch bei der Erstellung eines positiven Befunds den Nachweis beider Virus-Gene voraus, um falsch-positive Ergebnisse zu verhindern. Die dritte Zielsequenz, das RNase-P-Gen, ist ein menschliches Gen und bei jedem Menschen gleichermaßen vorhanden. Es dient der laborinternen Kontrolle, um zu prüfen, ob ausreichend Probenmaterial im Abstrich vorhanden ist, und um somit falsch-negative Ergebnisse zu verhindern.
Auswertung des qPCR-Ergebnisses
Doch wie kann man erkennen, ob eine Amplifikation der Ziel-Sequenzen stattfindet? Während der PCR, die unter Verwendung eines speziellen PCR-Cyclers durchgeführt wird (siehe Abb. 1), werden in die vermehrten DNA-Sequenzen Fluoreszenz-Markierungen eingebracht. Für jede Zielsequenz wird dabei ein anderer Fluoreszenzfarbstoff verwendet. Je mehr DNA die Polymerase produziert, desto stärker ist die Fluoreszenz der Probe in der Echtzeitmessung. Damit ein eindeutiges Testergebnis erstellt werden kann – egal ob positiv oder negativ -, muss in jedem Fall ein ausreichendes Fluoreszenzsignal des menschlichen RNase P-Gens vorliegen. Tritt zusätzlich auch die Fluoreszenz der beiden Virus-Gene auf, ist der Test positiv. Als Maß für die Menge des vorhandenen Zielgens dient dabei der sogenannte Ct-Wert. Er beschreibt die Anzahl der DNA-Vermehrungsschritte, die nötig sind, um das Fluoreszenzsignal eindeutig vom Hintergrundrauschen differenzieren und ein verlässliches Messsignal erzeugen zu können. Je niedriger der Ct-Wert, desto größer ist die Menge des in der Probe vorliegenden Zielgens und damit an Viruspartikeln. Umgekehrt zeigt ein hoher Ct-Wert eine geringe Menge an Virusbestandteilen an. Während der PCR steigt das Fluoreszenzsignal, bis es nach etwa einer Stunde ein Maximum erreicht und abflacht, da die zugegebenen Komponenten zur DNA-Vervielfältigung aufgebraucht wurden. So kommt der typische sigmoidale Kurvenverlauf der Fluoreszenz zustande (siehe Abb. 2).
Doch auch das beste Verfahren ist bestimmten Limitierungen unterworfen. Bei etwa 1 % der Proben kommt es vor, dass das PCR-Ergebnis nicht eindeutig ist, weil beispielsweise nur wenig Probenmaterial vorhanden ist oder das Fluoreszenzsignal der Virus-Gene grenzwertig niedrig ist. In diesen Fällen wird das PCR-Verfahren für diese Probe wiederholt, um ein eindeutiges Ergebnis zu erhalten.
Identifizierung von Virus-Varianten
Das BioVariance Labor unterzieht zudem alle positiven Proben einer sogenannten Varianten-PCR-Analyse zur Identifizierung der jeweiligen SARS-CoV-2-Variante. Zielsequenzen sind dabei mehrere SARS-CoV-2-spezifische Genabschnitte, auf denen die bisher bekannten Mutationen liegen. Diese Analysen zeigten in den letzten Wochen, dass im Landkreis Tirschenreuth das ursprüngliche Virus, der sogenannte Wildtyp, weitestgehend von der erstmals in Großbritannien nachgewiesenen Virus-Variante B.1.1.7, heute auch „Alpha“ genannt, abgelöst wurde. Zusätzlich zur Varianten-PCR werden positive Proben auch zur weiteren Analyse an ein Partnerlabor von BioVariance verschickt, damit auch neue bisher unbekannte Virus-Varianten identifiziert werden können.
Screening der Schulen mittels gepoolter Gurgelproben
Seit Mai 2021 führt das BioVariance Labor zudem das Pooling-Verfahren durch, welches zunächst im Rahmen einer Studie nur die Schulen des Landkreises Tirschenreuth einbezieht. Die Schülerinnen und Schüler müssen dazu keinen Nasen- oder Rachenabstrich vornehmen lassen, sondern lediglich zuhause mit einer kleinen Menge Leitungswasser gurgeln. In der Schule werden diese Gurgel-Proben dann klassenweise „gepoolt“, also in einem gemeinsamen Becher vereint (siehe Abb. 3). Pro Klasse wird somit nur eine PCR-Analyse durchgeführt. Nur wenn ein Pool-Ergebnis positiv ist, werden die Gurgel-Proben der Schülerinnen und Schüler der betroffenen Klasse auch einzeln per PCR getestet. Dieser Prozess ermöglicht eine enorme Einsparung an Laborressourcen bei gleichbleibender Qualität der Ergebnisse.
Qualitätssicherung im BioVariance Labor
Um die Qualität und die Sicherheit der PCR-Analysen zu gewährleisten, stellt sich BioVariance regelmäßig externen Evaluationen. Bei diesen Ringversuchen erhält das Labor mehrere unbekannte Proben von einer zentralen Stelle. Nur wenn all diese Proben korrekt als positiv oder negativ identifiziert werden, besteht das Labor die Prüfung und erhält ein Zertifikat. Im Mai 2021 hat BioVariance die externe Evaluation der European Society for External Quality Assessment (ESfEQA) erneut erfolgreich bestanden.
Außerdem werden die Proben im BioVariance Labor unter sterilen Bedingungen und nach strengen hygienischen Vorgaben bearbeitet, um eine Kontamination des Arbeitsplatzes und eine mögliche Ansteckung der Mitarbeiter zu verhindern (siehe Abb. 4).
Schnelligkeit der PCR-Diagnostik im BioVariance Labor
In der Regel dauert es in Deutschland 24-48 Stunden, bis eine getestete Person ihr Ergebnis erhält. Im BioVariance Labor können die Ergebnisse dagegen in unter 3 Stunden ab dem Zeitpunkt der Probenanlieferung im Labor produziert werden. In 99 % der Fälle erhalten die Testpersonen ihr Ergebnis also noch am selben Tag. Um dieses hohe Tempo zu erreichen setzt BioVariance auf 2 Komponenten: Zum einen verwendet BioVariance für die RNA-Extraktion und die anschließende PCR ein optimiertes Verfahren mit hoher Effizienz, Präzision und Sicherheit. Zum anderen entwickelten die IT-Spezialisten von BioVariance eine eigene Software namens TubeLab zur digitalen Überwachung der Laborprozesse, was die Probenverarbeitung deutlich beschleunigte und vereinfachte. Durch die transparente Nachverfolgung und Dokumentation mit TubeLab erfüllt das Labor höchste Qualitätsansprüche. Übrigens wird schon seit April 2020 auch im Partnerlabor, welches die weitere Sequenzierung der positiven SARS-CoV-2-Proben durchführt, TubeLab zur Überwachung der PCR-Analysen eingesetzt.
Auch personell hat BioVariance aufgestockt und das Labor-Team um 2 technische Laborbeschäftigte sowie 2 studentische Aushilfen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich erweitert.
Erfolg der Tirschenreuther Strategie
Mit der Unterstützung des Landratsamtes und des Gesundheitsamtes konnten die bürokratischen Hürden zur Errichtung und Anbindung des Diagnostik-Labors in Waldsassen zum 26.02.2021 innerhalb kürzester Zeit gemeistert werden. Denn für eine schnellstmögliche Testung der Proben sind kurze Wege zwischen Teststation und Labor unabdinglich. Im Optimalfall befinden sich beide Stationen im selben Haus, so wie in Waldsassen. Dank des BRK konnte außerdem ein Testangebot an insgesamt 4 festen und weiteren mobilen Teststationen aufgestellt werden.
Seit der Inbetriebnahme des BioVariance Labors sind dort bereits mehr als 40.000 Rachenabstriche aus dem Landkreis Tirschenreuth per PCR analysiert worden. Mithilfe der hocheffizienten PCR-Diagnostik konnten positive Fälle dabei innerhalb weniger Stunden identifiziert und unter Quarantäne gestellt werden, was sich in den letzten Wochen äußerst positiv auf die Inzidenz vor Ort auswirkte. Zur Zeit der Laboreröffnung im Februar lag die 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Tirschenreuth noch bei über 350 positiven Fällen pro 100.000 Einwohner. 15 Wochen später zeigt die Region nun als erster Landkreis in Bayern eine 7-Tages-Inzidenz von 0. Dank der effektiven Zusammenarbeit von Landratsamt, Gesundheitsamt, BRK und Labor sowie des beständigen Durchhaltevermögens der Bevölkerung konnten Neuansteckungen stark reduziert und die hohe Inzidenz im Landkreis Tirschenreuth schließlich bezwungen werden.
Zukünftige Ausrichtung des Labors
Neben der Diagnostik von Infektionskrankheiten will BioVariance die Anwendungsmöglichkeiten des firmeneigenen Labors ausweiten und zukünftig auch die Diagnostik von Krebserkrankungen im Portfolio führen. Die Personalisierung von Krebstherapien soll mithilfe der Sequenzierung von Tumoren und der von BioVariance entwickelten Software OncoVariant weiter vorangetrieben werden. Dieser zukunftsweisende Schritt ermöglicht die Auswahl einer bestmöglichen und individuell zugeschnittenen Therapie für Krebspatienten, um die größtmögliche Wirksamkeit zu erreichen. Zudem plant BioVariance sich die Vorteile der Massenspektrometrie zunutze zu machen, welche beispielsweise die Messung von Stoffwechselprodukten erlaubt.
Ansprechpartner:
Kerstin Hammer